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Dominiks Geburt im Krankenhaus im Vergleich zu Lillys Ankunft im Geburtshaus

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Mein großer Prinz ist jetzt schon 5 Jahre alt, aber ich habe noch kein Detail vergessen. Als ich damals mit Wehen im 3 Minuten-Abstand um 4:30 Uhr im KH ankam, wurde mir kalt mitgeteilt, dass der Muttermund noch geschlossen sei und das eh noch dauert. Ich wurde 2 Stunden ans CTG gehängt, bis wieder eine Hebamme Zeit hatte, um nach mir zu sehen. Inzwischen war Schichtwechsel, und ich kam vom Regen in die Traufe. So was kaltherziges hatte ich bis dahin noch nicht gesehen, und dementsprechend verspannte sich alles in mir. Bis 11:00 Uhr hatte ich weiter aller 3 Minuten gemeine Wehen, aber der Muttermund blieb zu. Ich wurde an den Wehentropf gehängt und durfte die ganze Zeit auf der linken Seite liegen, mich nicht bewegen und keinen Mucks von mir geben. Zwischendurch kamen so liebevolle Bemerkungen wie z.B.Entspannen Sie sich mal, sonst bleibt das Kind drin!.

Entgegen aller Vernunft glaubte ich zwischendurch sogar, dass ich einfach heimgehen könnte. Ich sagte zu meinem Mann: Ich will nicht mehr, komm wir fahren nach Hause! Er meinte, dass er seine Autos auch erst ganz machen müsste, bis sie aus der Werkstatt dürften (toller Vergleich).

Bis 13:45 Uhr blieb der Muttermund bei mittlerweile mickrigen 10 mm. Die Tür ging auf, und meine Rettung Christiane kam herein. Ich hatte sie schon mal flüchtig bei meiner FÄ gesehen und war so froh, endlich ein vertrautes Gesicht vor mir zu haben. Sie blieb auch gleich bei mir und zog sich nicht mal um, damit ich nicht allein mit ihrer Vorgängerin Gabi bleiben musste. Sie sprach mir gut zu, und im Hintergrund lief der Ãœbergabebericht mit der Bemerkung, dass das Kind nicht vor Abend da wäre. Ich dachte, na gut, was soll's, bis dahin bist Du eh gestorben ...

Dominik's Herztöne wurden schlechter, und er bekam eine Sonde ans Köpfchen gelegt. Die Fruchtblase wurde gesprengt und das Wasser war dunkelgrün, was allgemeine Hektik hervorrief. Christiane blieb an meiner Seite, massierte mich und hielt Händchen. In 15 Minuten schaffte sie das, was Gabi in 8 Stunden nicht bewerkstelligen konnte. Mein Muttermund öffnete sich explosionsartig und nach einigen Presswehen drückte Gabi dann von oben mit. Ich hatte keine Kraft mehr und war so fertig, dass ich die Presswehen nicht mal mehr spürte. Es wurde ein Dammschnitt nach hinten gemacht, aber gleichzeitig riss ich nach beiden Seiten.

Um 14:07 Uhr wurde Dominik geboren. Zur Begrüßung pinkelte er Christiane an. Ihm wurde erst ein knapper viertel Liter Fruchtwasser abgesaugt, bevor ich ihn bekam. Er roch sooo gut und schrie wie am Spieß. Mein Schnitt und die Risse wurden über eine 3/4 Stunde genäht. Zwischendurch bekam ich noch einen Blasenkatheter und fühlte mich absolut hilflos. Das Stillen scheiterte. Dominik war schon im KH sehr unruhig (er hat ADS) und wurde von den Schwestern mit der Flasche beruhigt. Er trank nicht mehr an der Brust. Zu Hause pumpte ich ab und versuchte, ihm die Muttermilch mit der Flasche zu geben. Er lehnte sie ab. Alles, was ich an Milch abpumpte, konnte ich wegschütten. Nach wochenlangem Kampf mit vielen Tränen meinerseits hörte ich auf Anraten meiner Hebamme mit dem Abpumpen auf, und es war auch gut so. Ich hatte die ganze Zeit ein schlechtes Gewissen und war todunglücklich, weil ich mein Kind nicht ernähren konnte. Das blieb zwar noch eine Weile, aber es war weniger frustrierend, weil ich wenigstens nichts mehr wegschütten musste.

Ich wollte auf Grund dieser Erlebnisse eigentlich nie mehr ein Kind, aber man vergisst zum Glück sehr schnell.

Im Januar 2000 wurde ich wieder schwanger, und wir haben uns so unsagbar auf dieses Krümelchen gefreut. Dann in der 10. Woche der Schock. Das Baby war tot. Ich kam zur Ausschabung 3 Tage ins KH. Das Personal war so verständnislos, einfach nicht zu begreifen. O-Ton:Was heulen Sie denn? Sie sind noch jung genug und können noch viele Babys haben! Ich wollte nicht viele, ich wollte mein Baby und was man 2 Tage nach der Ausschabung empfindet, wenn man beim Entlassungsultraschall die leere Gebärmutter auf dem Bildschirm sieht, wo eine Woche zuvor noch ein Herzchen schlug, ist nicht zu beschreiben, zumindest für mich.

Meine Ä;rztin baute mich wieder auf, sprach mir Mut zu und versuchte, mir mein schlechtes Gewissen zu nehmen. Ich konnte es nicht begreifen: mein Baby verhungerte in mir, und ich spürte es nicht. Auf ihr Anraten hin begrub ich den Teststreifen, den ich aufgehoben hatte. Darauf steht ein kleines Magnolienbäumchen, dass jetzt immer zu der Zeit zu blühen beginnt, in der ich mein Krümel hergeben musste. So habe ich das Gefühl, dass wenigstens etwas von meinem zweiten Kind wächst.

Im Juli 2000 zeigte der Teststreifen wieder 2 blaue Streifen, und ich brach sofort in Tränen aus, weil zwei Tage vorher eine Schmierblutung aufgetreten war. Meine Ärztin empfing mich liebevoll und beruhigte mich. Beim Ultraschall sah man nur eine gut aufgebaute Schleimhaut - was auch sonst, wo die Regel gerade mal 3 Tage überfällig war. Sie nahm Blut ab und schrieb mich vorsorglich krank.

Der Bluttest war positiv, und der US eine Woche später zeigt eine kleine Fruchthöhle, wo 1 1/2 Wochen danach endlich mein Mäuschen samt Herz zu erkennen war. Ich blieb weiter krankgeschrieben und bekam nach 4 Wochen ein Beschäftigungsverbot bis zum Beginn des Mutterschutzes. Ich hatte noch 2 mal Blutungen und war nervlich so am Ende, dass Frau Dr. W. mir drohte, mich postwendend einzuweisen. Das half.

Dominiks Nachsorgehebamme eröffnete 1 Jahr nach seiner Entbindung ein Geburtshaus, und es war für mich von vornherein klar, wo mein Mäuschen zur Welt kommen sollte. Bereits die Schwangerenvorsorge wurde größtenteils dort gemacht, und ich freute mich auf jeden Termin. Es war so eine gemütliche und vertraute Atmosphäre. Man lernte alle 4 Hebammen sehr gut kennen und war miteinander sehr vertraut.

Die Zeit bis zum März 2001 verging wie im Flug. ET war der 23.3., aber bereits am 8.3. meinte Doc W., dass der Mumu bereits 1 cm geöffnet sei und das Baby wohl eher kommen würde. Also wartete ich und wartete und wartete ... Der 23.3. ging vorbei, aber kein Baby.

Am 25.3. fragte mein Mann, ob ich für den nächsten Tag irgendwelche Pläne hätte. Ich sagte Klar, da kommt mein Kind. Beim Aufwachen sah es allerdings nicht so aus. Wir hatten den letzten Wintereinbruch, und es tobte das absolute Chaos. Um 9:00 Uhr hatte ich mich im Geburtshaus mit der Hebamme verabredet, weil wir dem Baby mit Akupunktur Beine machen wollten. Um 10:00 Uhr kamen wir endlich an. Die Nadeln wurden angesetzt, und für den Fall, dass sich bis zum nächsten Morgen nichts getan hätte, mixte mir Barbara den Wehencocktail zusammen. Den sollte ich am nächsten Vormittag trinken.

12:30 Uhr waren wir wieder zu Hause, und ich legte mich ein bisschen hin, konnte aber nicht schlafen. Also surfte ich ein bisschen durchs WWW und telefonierte mit meiner Freundin. Es war so 15:00 Uhr, als ich Schmerzen in der Nierengegend bekam. Ich schob es auf das Schmuddelwetter der letzten Tage, rief aber um 15:30 Uhr bei meiner Hebamme Barbara an. Sie meinte auch, dass wir das lieber nicht anstehen lassen sollten und verabredeten uns für 16:30 Uhr im Storchennest. Eine Viertelstunde später rief sie bei mir an und erkundigte sich, ob es so lange noch gehen würde, und ich antwortete: Na klar, meine Männer sind noch Schnee schieben. Mir ging es gut, und mich machte nur stutzig, dass die Nieren alle 3 Minuten weh taten.

Nach 16:00 Uhr fuhren wir los Richtung Geburtshaus, und da sich die Abstände immer mehr verkürzten, kam mir langsam eine Ahnung. Wir kamen zeitgleich mit Barbara, und als ich pustend aus dem Auto hangelte meinte sie lachend: Das sind bestimmt nicht die Nieren!. Der Muttermund war 4 cm auf, und sie legte mir 5 Minuten das CTG an. Dann zog ich mir ein bequemes T-Shirt an, und Barbara lies Wasser in die große Wanne, die ich unbedingt probieren wollte. Ich lief meine Runden durchs Geburtshaus, und die Wehen ließen sich prima veratmen. Mir ging es super gut.

Zwischendurch kam meine Ä;rztin mal vorbei, die ihre Praxis direkt nebenan hat und von den Hebis zum Endspurt dazugeholt wird. Sie sah mich an und sagte: Das dauert noch, die hat noch zu viel Spaß! Barbara lächelte und antwortete: Die Wehen sind aber prima. Mir ging es blendend.

Das änderte sich aber schlagartig gegen 17:45 Uhr. Die Wehe hörte einfach nicht auf und Barbara meinte, dass ich mich mal hinlegen solle. Ich:Das geht jetzt nicht. Sie: Leg Dich hin! Ich: Das geht jetzt nicht!!!! Sie: LEG DICH HIN!!!! Ich also brav auf das breite Bett rauf, und sie meinte: Okay, das Baby kommt jetzt! Ich fragte: Wie bitte? Das kann nicht sein! Sie meinte, dass es jetzt höchste Zeit wäre, auf den Hocker umzuziehen. Da gab es einen Riesenknall und die Fruchtblase war hinüber, ein sehr erleichterndes Gefühl, weil endlich der Druck weg war.

Die mittlerweile eingetroffene zweite Hebamme Manuela bekam einen ordentlichen Schwall ab. Mein Mann saß hinter mir, ich vor ihm auf den Hocker und presste, was das Zeug hielt. Ich hatte während der Presswehen keine Schmerzen und spürte soviel Energie und Freude - unvorstellbar!

17:57 Uhr war es soweit. Lilly schlüpfte, und was war sie niedlich! Ich nahm sie gleich in meine Arme, sagte Hi Lilly und heulte und heulte und heulte. Um uns leuchteten viele Kerzen, und in dem Schummerlicht fühlte sie sich sichtlich wohl. Sie schrie nicht, sah uns nur mit großen Augen an, als ob sie uns Guten Tag! sagen wollte.

Ich rutschte hoch auf das Bett, mein Mann legte sich zu uns und nachdem die Nachgeburt ohne Probleme kam, wurde mit 4 Stichen ein kleiner Riss an der alten Schnittnarbe genäht. Lilly hatte die Hand am Köpfchen und blieb mit den Fingern hängen, daher die Verletzung. Wir genossen die einmalig liebe und respektvolle Atmosphäre im Storchennest und bedauerten es sogar ein wenig, als wir uns zum Aufbruch rüsteten.

Um 21:15 Uhr waren wir wieder zu Hause. Dominik kam mit Oma und Opa heim, und wir stießen zusammen auf die kleine Maus an, die unser Leben auf ihre sensible, einfühlsame und zauberhafte Art unsagbar bereichert hat. In den nächsten Tagen kam die Hebamme bei Bedarf mehrmals täglich, und das Stillen ging ohne Komplikationen, da uns diesmal niemand ins Handwerk pfuschte. Auch bei Lilly kam der Milcheinschuss erst 5 Tage nach der Geburt, und wenn sie im KH entbunden worden wäre, dann hätte es sicher wieder nicht geklappt.

Heute ist die Kleine 13 Monate alt und wird immer noch mehrmals täglich gestillt. Sie schläft bei uns im Familienbett, und auch Dominik kommt manchmal vorbeigeschaut.

Falls ich wieder vor der Wahl stehen würde, dann käme nur das Geburtshaus in Frage! Nie wieder KH, wenn keine medizinischen Notwendigkeiten vorliegen! Wie harmonisch und würdevoll Lillys Geburt war, im Vergleich zu Dominiks, und wie gerne hätte ich ihm einen ebenso schönen Start ins Leben ermöglicht! Aber von uns bekommt er all die Liebe, die seine Schwester auch schon von ihren Geburtshelfern bekam, und ich bin stolz darauf, zwei wirklich glückliche Kinder aufwachsen sehen zu dürfen.

 

© 2002 Janet

 

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