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Babys im Elternbett

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Dürfen Babies und kleine Kinder im Bett der Eltern schlafen? Ein Auszug aus einem Vortrag zum Thema "Erziehung zum psychisch gesunden Menschen" vonDipl.-Psych. Stephan Mayer, Passau.

 

These: Für die seelische Geborgenheit der Babies und Kinder ist es wichtig, dass sie immer, wenn sie wollen, im Bett der Eltern schlafen dürfen. Denn sonst entstehen Verlassenheits- und Todesängste. - Und sie wollen! Weil es der Natur des Lebewesens Mensch entspricht und 10 Millionen Jahre lang so war. (Eigene Zimmer und Betten für Kinder gibt es nämlich erst seit ca. 50 bis 150 Jahren.)

Diese These ist für manche Eltern selbstverständlich, von vielen kommt hier aber energischer Protest. Ein einfacher Bauer aus der Heuzenberger Gegend hat mir dazu gesagt: "Ich versteh gar net, was ihr Psychologen da für so a sach Eure wissenschaftlichen Bücher brauchts. Da brauch ich doch bloß in Stall aussi gehn und schaugn, wia des kloane Schaferl mit seim Kopf aufm Bauch vom Mutterschaf daliegt und schlaft, dann woaß I doch wies ghört. Der Mensch is doch a bloß a Tier."

Ich denke, er hat recht. Dass die Kinder bei den Eltern schlafen wollen, ist eine Instinktsache. In den 10 Millionen Jahren der menschlichen Entwicklung muss sich dieser Instinkt herausgebildet haben. Die Kinder haben bei unseren frühzeitlichen Vorfahren in der Höhle auf gleichem Stroh- oder Blätterlager geschlafen (und seitdem der Mensch das Feuer kennt, war es auch nachts nie ganz dunkel, da das Feuer ja nicht ausgehen durfte. Es musste wilde Tiere abschrecken und war auch nur schwer wieder anzumachen.). Und man konnte es sich auch bis vor wenigen Jahren gar nicht leisten, ein eigenes Zimmer oder eigenes Bett für die Kinder zu haben. Auch beim reichen Adel hatte z. B. früher im Extra-Kinderzimmer immer die Amme mitgeschlafen.

Ein ganz kleines Kind kann zwar noch nicht richtig denken, aber es kann schon von Geburt an (wahrscheinlich auch schon früher) absolut richtig fühlen. Ein ganz kleines Kind hat noch nicht die Denkfähigkeit des räumlichen und zeitlichen Vorstellungsvermögens. Es kann sich nicht denken: "Die Eltern sind zwei Räume weiter." oder "Ich sehe und spüre sie ja morgen früh wieder.". Wenn die Eltern nicht direkt räumlich anwesend sind, dann bedeutet das für das kleine Kind totales Alleine-Sein ohne Ende. "Totales Alleine-Sein ohne Ende" ist aber für das kleine Kind lebensgefährlich, es kann sich nicht selber ernähren und sich nicht gegen Gefahren wehren. Die Todesangst ist so eigentlich ein berechtigter Instinkt, ein richtiges Gefühl.

Versuchen Sie sich bitte auch hier daran zu erinnern, ob Sie sich als Kind nicht auch danach gesehnt haben, bei den Eltern schlafen zu dürfen, wie traurig oder ängstlich Sie waren im Dunkeln alleine im Kinderbett. Wie geborgen Sie sich gefühlt haben, wenn Sie am Sonntagmorgen zu den Eltern ins warme Bett kriechen durften. Gewähren Sie ihrem Kind diese Geborgenheit nicht nur am Sonntagmorgen!

 

Ich will auf die Gegenargumente zu dieser These eingehen:

"Man kriegt dann ja die Kinder nie mehr raus aus dem Ehebett." Das ist richtig. Sie sollen ja erstmal nicht raus. Mit 5, 6 oder 7 Jahren haben die Kinder aber dann meistens genug, es wird ihnen selber zu eng, das Geschnarche der Eltern z.B. nervt sie. Ich kenne eine Familie, die hat 5 Kinder im großen Ehebett. Allen macht's Spaß, aber da kommt schon der Dreijährige immer wieder mal an und sagt: "Heut möcht ich mal in Ruhe in meinem eigenen Bett schlafen." Spätestens dann mit Beginn der Pubertät, mit 10-12 Jahren, gehen die Kinder von selber raus, wollen dann endlich ihr eigenes Bett haben.

Dazu wieder ein Beispiel aus der Psychotherapie: Die Mutter eines 10-jährigen Mädchens kam zur Beratung, die Tochter schlief zwar in ihrem eigenen Bett ein, kam aber jede Nacht ca. um 1 Uhr zur Mutter ins Bett und wollte unbedingt nur dort weiterschlafen. Der Mutter war es unangenehm. Sie hatte ja gehört: "Ein Mädchen in dem Alter schläft nicht mehr bei den Eltern." Alles gute Zureden von Seiten der Mutter und alle Versprechungen hatten nichts genützt, die 10-jährige war immer wieder gekommen. Nach meiner Beratung hat die Mutter gleich in der ersten Nacht, als die Tochter wieder gekommen ist, zur Tochter gesagt: "Es ist schön, dass du kommst. Ich freu mich, dich zu spüren, mit dir zu kuscheln." (Das muss natürlich auch wirklich so sein.) Noch drei Nächte ist die Tochter gekommen, Mutter und Tochter haben schön und ganz warm beieinander geschlafen. Ab dann ist die Tochter nie mehr gekommen. Ihr Bedürfnis war befriedigt, sie hat sich nicht mehr abgelehnt gefühlt und hat dauerhaft nur noch in ihrem eigenen Bett geschlafen. Die Mutter war jetzt sogar etwas traurig darüber.

2. Gegenargument: "Unser Bett ist zu eng." Es ist hart, aber ich kann dazu nur sagen, eine Psychotherapie ist teurer als sich ein neues Bett zu kaufen.

3. Gegenargument: Manche Eltern haben Angst, ihr kleines Kind im Schlaf zu erdrücken. - Nein, im Gegenteil, ist das Risiko nicht viel größer, wenn ein Kind alleine im Kinderzimmer schläft, wenn die Eltern so vielleicht nicht gleich mitbekommen, dass das Baby sich erbrochen hat. So was merkt man doch viel eher, wenn das Kind direkt neben einem liegt.

Kinder, die so im Bett der Eltern mitschlafen dürfen, spüren so viel Geborgenheit und Sicherheit in sich, dass sie schon sehr früh selbstständig werden können, dass sie auffallend selbstbewusst sind.

Ich habe diesen Vortrag ja schon einige Male gehalten. An diesem Punkt mit dem Im-Bett-Schlafen gibt's anschließend immer die heißesten Diskussionen. Ich denke, das wird auch heute so sein. Eine Frage, die in der Diskussion immer wieder auftaucht, will ich gleich beantworten. Die Frage:"Wie ist das denn mit der Liebe, wenn die Kinder alle im Ehebett liegen?" Naja, dann ist ja doch zum Beispiel das Kinderzimmer frei.

Weiteres Gegenargument: "Mein Kind will gar nicht bei uns im Bett schlafen." Das glaube ich, denke aber, dass da was anderes dahintersteht: Leider ist es trotz sogenannten Rooming-In immer noch üblich, dass die Babies auf der Entbindungsstation den Müttern nachts weggenommen werden. (Ich denke dabei nur daran, wie schwer meine Frau und ich bei der Entbindung unserer Tochter darum kämpfen mussten, dass die Tochter nachts bei der Mutter bleiben durfte.)

Und leider stimmt der alte Ratschlag: "Lass deinen Säugling nur zwei Nächte durchschreien, und du hast dann Ruhe vor ihm." Nur, dann ist etwas Schlimmes passiert. Das Kind hat resigniert. Und Resignation ist ja nun wirklich keine Eigenschaft eines psychisch gesunden Menschen.

© Dipl.-Psych. Stephan Mayer, Passau
(Homepage des Autors)

 

Der Vortrag geht noch weiter. Mehr zu den Themen Verwöhnen, Weinen und ernst nehmen von Gefühlen finden Sie unter dem Themenbereich Das Continuum Concept im Alltag.

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