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Janas weitere Tragetuch-Erfahrungen

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s unser Sohn ein halbes Jahr alt war, trug ich ihn immer in der Kreuztrage, oder mein Mann trug ihn im Tragesack vorn. Unser Sohn bevorzugte es immer, an den Kanten des gebundenen Tuches mit voller Hingabe zu lutschen. So musste ich öfter das Tuch waschen. Also kaufte ich mir gleich noch ein genauso langes Tragetuch zum Wechseln. Die Investition lohnte sich auf jeden Fall.

Mit der Zeit wurde unser Sohn immer interessierter an seiner Umwelt. Daher nahm ich mir die Bindeanleitung für die Rucksacktrage zur Hand. Zusammen mit meinem Mann (beim ersten Mal ist eine helfende Hand dringend anzuraten) probierte ich sie dann aus. Es war eine unheimliche Anstrengung, und das Tuch war noch nicht ganz professionell gebunden, aber immerhin konnten wir einen kurzen Spaziergang wagen, und unser Sohn war ganz begeistert davon.

Am nächsten Tag übte ich dann auch mit einigen Rückschlägen (vorsichtshalber über dem Bett) mehrmals alleine das Binden. Als alles halbwegs ordentlich saß, begab ich mich mit meinem Sohn auf den Weg. Ich hatte einiges einzukaufen, und es vergingen schnell anderthalb Stunden. Plötzlich schrie mein Sohn und hörte bis zuhause nicht wieder auf. Es waren zum Glück nur wenige Meter. Ich konnte mir es gar nicht richtig erklären, was er denn jetzt an seinen geliebten Tragetuch auszusetzen hatte – bis mir dann ein Licht aufging. Er war die Kreuztrage gewöhnt, in der er abschalten und einschlafen konnte. Die Rückentrage war im ja vollkommen fremd, und er wusste sich, als er müde wurde, nicht zu helfen. Also verkürzte ich die Tragezeiten, damit er sich erst einmal daran gewöhnen konnte. Es dauerte nur etwa zwei Wochen, dann konnte er auch auf dem Rücken einschlafen.

Ich habe ihn dann auch teilweise wieder nach vorn umgebunden. So hatte ich auch besser die Kontrolle über seine Haltung, wenn er schlief. Die Rückentrage gefiel ihm aber, wenn er wach war, deshalb besser, weil er aus dieser Perspektive viel mehr sehen konnte. Nach viel Training, was bei der Rückentrage wirklich notwendig war, ging mir auch das Binden schnell von der Hand. Nun konnte ich auch viel besser Essen kochen, Wäsche aufhängen und Staubsaugen. Mein Sohn thronte auf meinem Rücken und schaute begeistert bei meiner Hausarbeit zu. Und beim Spazierengehen konnte er die Welt entdecken.

Einen Kinderwagen oder Buggy vermissten wir überhaupt nicht. Es war so einfach und praktisch mit dem Tuch, überall hinzukommen. Ob Bordsteine, Einkaufsläden mit Treppen oder unebenes Gelände, nie war mir ein hinderliches Metallgestell mit Rädern dran ein Hindernis. Und mein Sohn entwickelte eine schier unstillbare Neugierde an seiner gesamten Umwelt. Auch das Fremdeln war kein Problem, wenn mein Sohn im Tuch an mich gebunden war. Er hatte durch mich und die entsprechende Höhe seine Sicherheit, um dass nichts bedrohlich auf ihn wirkte. Er fremdelte nur, wenn er nicht im Tuch war und sich die Entfernung zu mir zu sehr vergrößerte.

Als mein Sohn ein Jahr alt wurde, probierte ich dann den Hüftsitz aus. Er gefiel mir auch sehr gut, und ich wendete ihn gern an, wenn wir einkaufen gingen oder es schnell gehen musste. Da man mit einem langen Tragetuch bei dieser Bindeweise sehr viel Stoff übrig hat, muss man die Enden nochmals um die Hüften schlagen und verknoten, damit man nicht drauftritt. Das war mir aber irgendwie immer zu umständlich. Also kaufte ich mir noch ein ganz kurzes Tragetuch nur für unterwegs und den Hüftsitz. Das war eine ganz praktische Sache, und ich habe die Anschaffung nie bereut. Selbst als mein Sohn dann das Laufen gelernt hatte, war das kurze Tuch ganz angenehm für den kleinen Spaziergang. Es ließ sich leicht einpacken, und war mein Sohn erschöpft, konnte ich ihn darin schnell auf die Hüfte befördern.

Als mein Sohn dann gerne und viel lief, bliebt er nicht mehr so gern in der Rückentrage. Wenn schon, dann bevorzugte er wieder die Kreuztrage. Das hatte er mir deutlich gezeigt. Er war dann schon immer ganz aufgeregt, wenn ich das Tuch umband. Vorn an Mama lies es sich nämlich so richtig schön kuscheln. Das war der Ruhepol im Gegensatz zum Laufen. Und mir war diese Trageweise auch am liebsten, weil ich da unsere sieben Sachen im Rucksack auf dem Rücken mitnehmen konnte. Nach dieser ganzen Entwicklung war ich dann auch an dem Punkt, wo ich mit Sicherheit behaupten konnte, dass Tragen eine Philosophie ist. Jetzt wusste ich genau, was meine Freundin damals meinte. Und ich war und bin sehr froh darüber!

 

Jana

 

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